"...un petit sanctuaire de porcelaine...".Die Keramiksammlung auf Schloss Friedenstein Gotha


Balthasar Permoser, Paul Herrmann, Johann Benjamin Thomae (zugeschrieben): Sechs Figuren aus einer Serie der commedia dell’arte, Böttgersteinzeug, 1710-1712, © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

Vortrag von Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

15. Januar 2015

Gobelin-Saal des Bodes-Museums

Während einer seiner seltenen Besuche auf Schloss Friedenstein in Gotha zeigte sich Friedrich der Große (1712 – 1786) begeistert von dem Porzellankabinett der regierenden Herzogin, Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710 – 1767) und lobte dieses Kleinod als „… un petit sanctuaire de porcelaine…“.

Porzellankabinett auf Schloss Friedenstein Gotha, © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha,  Foto: Thomas Wolf
Porzellankabinett auf Schloss Friedenstein Gotha, © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Foto: Thomas Wolf

Neben den ostasiatischen Porzellanen dürfte im Porzellankabinett auch ein Teil der umfangreichen Kollektion an Böttgersteinzeug gestanden haben. Noch heute verwahrt die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha mit ca. 160 Böttgersteinzeugen eine der umfangreichsten Sammlungen der Welt in ihren Beständen. Johann Friedrich Böttger (1682 – 1719) verfiel zunächst der Alchemie und behauptete, Gold machen zu können. Da sich der junge Mann in Berlin aufhielt, wurde der preußische König auf ihn aufmerksam. Bevor Friedrich I. den angehenden Apotheker in Gewahrsam nehmen konnte, gelang Böttger die Flucht – doch wurde er nun vom sächsischen Kurfürsten und polnischen König, August dem Starken (1670 – 1733), festgesetzt. Dieser richtete ihm eine Werkstatt ein, in der Hoffnung, Böttger würde es gelingen, Gold herzustellen. Bei den beständigen Experimenten lernte Böttger den Naturforscher Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651 – 1708) kennen, der mit sächsischen Erden experimentierte und hochkarätige Brennspiegel entwickelte, mit denen man besonders hohe Temperaturen erzeugen konnte. Durch das Zusammenwirken beider Männer gelang es 1706, ein besonders feines und dichtes Steinzeug herzustellen. Bereits nach zwei Jahren war die Rezeptur so ausgefeilt, dass man auf der Leipziger Messe erste Waren anbieten konnte. Doch wurden im Zuge der Chinoiserie-Mode nicht nur ostasiatische Vorbilder kopiert. Gleichzeitig setzte man Goldschmiede ein, die für die Keramik neue Formen entwickelten, die dem europäischen Geschmack mehr entsprachen. So zierte man die kostspieligen Gefäße mit Reliefs, Lacküberzügen, Bemalungen, durch Polieren, Emaillieren oder gar den Besatz mit Granatsteinen. 

 

Zu den ersten Erwerbungen von Objekten aus diesem neuen Material gehören in Gotha sechs Figuren der commedia dell‘arte, die sich bereits 1717 im Bestand nachweisen lassen. Sie wurden in der Kunstkammer aufgestellt, dort aber nicht bei den Schatzkünsten, sondern als Bekrönung des Schrankes mit den geologischen Sammlungen. Seitlich des Schrankes befanden sich Brennspiegel von Tschirnhaus. Ganz augenscheinlich schätzte man an den Figuren weniger den künstlerischen Wert, als vielmehr den des neuen Materials: eines künstlich hergestellten Steins. 

 

1724 – also zeitgleich mit der Einrichtung des Porzellankabinetts – orderte der Herzog drei Kisten Böttgersteinzeug bei der Manufaktur in Meißen. Dies ist umso erstaunlicher, da das neue Material zu diesem Zeitpunkt bereits unmodern geworden war, nachdem 1710 Böttger auch die Erfindung des europäischen Hartporzellans gelungen war. Ganz augenscheinlich hatte das Herzogspaar in Gotha für das Steinzeug eine besondere Vorliebe. Während einfache Teekannen und Koppchen aus Böttgersteinzeug sicherlich in Verwendung standen, wurden die reicheren Stücke – also emaillierte, lackierte oder mit Granat besetzte – sicherlich zur höfischen Repräsentation eingesetzt. In der sehr gut durch Inventare dokumentierten Kunstkammer lassen sie sich allerdings nicht nachweisen, so dass eine Aufstellung im Porzellankabinett anzunehmen ist. 

 

Als Friedrich der Große Gotha besuchte, hatte sich das Porzellankabinett bereits ganz im Sinne des Rokokos verändert: Hier standen nun vor allem europäische Hartporzellane – neben einigen Schatzkünsten und Gefäßen aus Rubinglas sowie ostasiatischen Porzellanen. Herzogin Luise Dorothea schätzte dabei vor allem die Erzeugnisse der Meißener Manufaktur, doch lassen sich auch Arbeiten der Königlichen Porzellanmanufaktur in Berlin und aus Fürstenberg nachweisen — Porzellane, die sicherlich als Gastgeschenke der verwandtschaftlich verbundenen oder befreundeten Höfe in Berlin und Braunschweig nach Gotha gelangten. Neben einigen Services handelte es sich vor allem um Figuren. Überwiegend waren es hier die Darstellungen einheimischer und exotischer Tiere, die die Herzogin begeisterten, aber auch einige Bauernszenen und Kinder. Insgesamt zeigt sich hier der sehr persönliche Geschmack einer Herzogin des 18. Jahrhunderts. Dank des Nachlassinventars von 1767, das gleich nach dem Tod des Herzogs aufgestellt worden war, kennen wir nicht nur die Porzellane im Einzelnen. Auch ihre Aufstellung im Porzellankabinett und im Appartement der Herzogin ist dort genau vermerkt. So standen beispielsweise „zwey große Tauben eine auf dem Nest, die zweite auf dem Klotz“ nicht im Kabinett, sondern in den Wohn- und Repräsentationsräumen der Herzogin. 

1791 erwarb Luise Dorotheas Sohn, Herzog Ernst II. (1745 – 1804), von dem Nürnberger Juristen und Universalgelehrten Christoph Gottlieb von Murr (1733 – 1811) 46 Majoliken des 16. Jahrhunderts. Wie die Porzellansammlung erlitt auch dieser Bestand während der Wirren der Nachkriegszeit bedauerliche Verluste, doch sind heute immerhin noch 15 Objekte aus dieser Erwerbung vorhanden. Im 19. Jahrhundert kam es dann noch zu einer Bereicherung der Sammlung durch geschickte Ankäufe, so dass heute immerhin 34 Majoliken des 16. Jahrhunderts im Bestand der Stiftung Schloss Friedenstein nachweisbar sind. Für Thüringen sind diese von besonderer Bedeutung, war es doch die herzogliche Sammlung in Gotha, die Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) ab 1804 dazu anregte, eine eigene Sammlung aufzubauen. 

 

So schrieb Goethe 1781 an Charlotte von Stein (1742 – 1827): „Die Tasse die beykommt habe ich dir gemahlt, ich wünschte die Masse des Porzellans wäre besser, ich habe eine kindische Freude daran gehabt und besonders in der Hoffnung, dass dichs auch freuen soll. Wenn ich einmal Rothbergisches Porzellan haben kann, und nur noch ein wenig Übung, so soll auch das bessre dein seyn. Ich dencke drauf dir ein Paar Blumenkrüge zu mahlen.“

 

Indirekt lobt der Dichterfürst hier das „Rothbergische Porzellan“. Tatsächlich verbirgt sich dahinter die Gothaer Porzellanmanufaktur, eine Gründung von Wilhelm Theodor von Rotberg (1718 – 1795) aus dem Jahr 1757. Allerdings wurde die Manufaktur erst 1772 mit dem Regierungsantritt von Ernst II. wirklich arbeitsfähig. Er stattete die Manufaktur mit Privilegien aus und gewährte den künstlerischen Kräften zu Studienzwecken Zugang zu den Kunstsammlungen und zu seiner Privatbibliothek. Ganz im Sinne einer Gewerbeförderung – viele der deutschen Staaten standen nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 vor der Herausforderung, die Wirtschaft ihres Landes neu aufzubauen – richtete der Herzog zudem eine Zeichenschule ein. Somit erwies sich die Manufaktur ab 1772 sowohl technisch wie künstlerisch als sehr leistungsfähig: Die Masse des Scherbens ist dabei schon von Goethe gelobt worden, in der Formgebung und im Dekor orientierte man sich sehr bald am Frühklassizismus. Durch Ankäufe für den eigenen Bedarf und für Geschenke erwies sich der Hof als bedeutender Abnehmer und Förderer. Noch heute sind Porzellane, die der Ausstattung des Schlosses dienten, in der Sammlung von Schloss Friedenstein in Gotha vorhanden. 

 

Auch unter dem Sohn und Nachfolger von Ernst II., Herzog August (1772 – 1822), wurde die Manufaktur befördert, bei der erst im 2. Drittel des 19. Jahrhunderts ein Verfall einsetzte. 

 

Herzog August kann mit Sicherheit als der exzentrischste der Herzöge aus dem Haus Sachsen-Gotha-Altenburg bezeichnet werden. Allerdings war er auch ein leidenschaftlicher Sammler, der sich durchaus ungewöhnlichen Sammelgebieten gegenüber aufgeschlossen zeigte. So legte der Herzog eine umfangreiche Kollektion von Fächern des Rokokos an und zeigte sich auch an altdeutscher Kunst im hohen Maße interessiert. Noch als Erbprinz legte er wohl um 1800 im Westturm von Schloss Friedenstein ein chinesisches Kabinett an, das aus sechs Räumen und einem Expeditionszimmer bestand und sich über etwa 400 Quadratmeter erstreckte. Hierfür brachte er die ostasiatischen Sammlungen seiner Ahnen zusammen – vornehmlich Porzellane, Lacke und Arbeiten aus Speckstein, daneben aber tätigte er vornehmlich in London umfangreiche Erwerbungen. Hierzu zählten eine Reihe von kostbaren Alben, die das Alltagsleben in China beschrieben, weitere Arbeiten aus Speckstein und Porzellane, vor allem aber auch Alltagsgegenstände wie Kleider und Möbel bis hin zu Teesorten. So entstand ein Kabinett, in dem man sich weniger am sinnlichen Reiz der exotischen Materialien erfreuen konnte, wie noch im 18. Jahrhundert, sondern vielmehr eine Art ethnographisches Kabinett, das der wissenschaftlichen Erforschung Ostasiens dienen sollte. Dementsprechend erarbeitete man auch eine Beschreibung des Kabinetts, in der anhand der Objekte die Geschichte, Politik, Kultur, Religion und Wirtschaft Chinas dargestellt wurden.

 

Nach der Fertigstellung des zwischen 1864 und 1879 errichteten Herzoglichen Museums am Fuße von Schloss Friedenstein wurde das Chinesische Kabinett dorthin übertragen. Weiterhin sammelte man auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Ostasiatica – neben Lacken nun vor allem Keramiken. Eine besondere Bereicherung der Sammlung stellen Objekte dar, die der damals regierende Herzog Alfred (1844 – 1900), Prinz des englischen Königshauses, dem Museum übergab. Diese hatte er auf seiner Weltreise als Admiral im Dienste seiner Mutter Königin Victoria (1819 – 1901) entweder erworben oder als Staatsgeschenke erhalten. Weiterhin gelang es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Sammlung des Sinologen Friedrich Hirth (1845 – 1927) zu erwerben, worunter sich hervorragende Seladon-Keramiken befinden. 

Glockenkrater, apulisch rotfigurig, um 390/380 v. Chr., © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Glockenkrater, apulisch rotfigurig, um 390/380 v. Chr., © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

Herzog August verstarb 1822 und hinterließ nur eine Erbtochter, die nach den Hausgesetzen der Ernestiner nicht erbberechtigt war. So kam sein kinderloser jüngerer Bruder, Herzog Friedrich IV. (1774 – 1825) an die Regierung. Nachdem er sich in seiner Jugend eine schwere Verletzung bei der Armee zugezogen hatte, verbrachte der Erbprinz sein Leben vor allem mit Kuraufenthalten im Ausland – insbesondere in Rom, wo er zum katholischen Glauben übergetreten war. Selbstverständlich besuchte er auch Pompeji und Herculaneum. Anlässlich dieses Besuchs erhielt er von der Königin von Neapel, Caroline Bonaparte (1782 – 1839) einen prachtvollen Glockenkrater als Geschenk, der den Auftakt der Antikensammlungen auf Schloss Friedenstein bildet. Selbstverständlich waren wenige Antiken – darunter Öllampen – bereits im 17. Jahrhundert in der Kunstkammer nachweisbar, doch zum Aufbau einer Sammlung kam es erst ab dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts. Später waren es dann vor allem der von der Archäologie begeisterte Herzog Alfred und sein Museumsleiter Karl Purgold (1850 – 1939), die die Antikensammlungen mehrten. Beide waren dabei eng mit dem in Rom ansässigen Archäologen Wolfgang Helbig (1839 – 1915) befreundet, der zielgerichtet die Erwerbungen für Gotha tätigte. So entstand in nur wenigen Jahren eine kleine, aber feine Sammlung.

 

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha in den letzten Jahren eine umfangreiche Sammlung moderner und zeitgenössischer Keramik aufbauen konnte. Unter anderem gelang das durch die großzügige Schenkung der Keramikkünstlerin Lotte Reimers, die ihre seit Jahrzehnten zusammengetragene Sammlung internationaler Keramik dem Museum übergab. 

 

Die Keramiksammlungen in Gotha speisten sich also aus sehr verschiedenen Bezugsquellen. Zum einen entsprachen sie dem fürstlichen Repräsentationsbedürfnis und Lebensstil des 17. und 18. Jahrhunderts. Zum anderen kam es in einzelnen Bereichen – so bei den ostasiatischen und antiken Keramiken – gerade im 19. Jahrhundert zu sehr bewussten Erwerbungen.

 

Dieses Erbes ist sich die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha bewusst. Seit nunmehr einigen Jahren werden die keramischen Sammlungen systematisch erschlossen und publiziert, um sie für den Wissenschaftler, Sammler und interessierten Laien gleichermaßen erlebbar zu machen. So erschien vor einigen Jahren eine umfangreiche Darstellung der Geschichte der Gothaer Porzellanmanufaktur. Weiterhin wurden Kataloge zum Bestand an Böttgersteinzeug und an Meissener Porzellan des 18. Jahrhunderts vorgelegt. In Kürze erscheint ein Katalog zum Bestand an Majolika und Fayencen, Bände zum ostasiatischen Porzellan und zur Schenkung Lotte Reimers sind in Arbeit.

Auswahlliteratur

 

Ute Däberitz, Gothaer Porzellan des 18. Jahrhunderts. Eine Sonderausstellung des Schloßmuseums Gotha, Schloß Friedenstein, 28.10.1995 - 07.01.1996, Gotha 1995

 

Ute Däberitz, Martin Eberle, Das weiße Gold – Die Sammlung Meissener Porzellan des 18. Jahrhunderts, hrsg. von der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, 2012

 

Martin Eberle,  Das rote Gold – Die Sammlung Böttgersteinzeug auf Schloss Friedenstein, hrsg. von der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, 2011