Zur Einheit des Widersprüchlichen in Werken der Kunst des Mittelalters

Kruzifix aus St. Georg, Köln um 1060, Köln, Museum Schnütgen, Inv. A 9, Foto Rheinisches Bildarchiv, Köln
Kruzifix aus St. Georg, Köln um 1060, Köln, Museum Schnütgen, Inv. A 9, Foto Rheinisches Bildarchiv, Köln
Ostensorium von Heimbach-Weiss, Köln um 1300, Köln, Museum Schnütgen, Inv. G 527, Foto Rheinisches Bildarchiv, Köln
Ostensorium von Heimbach-Weiss, Köln um 1300, Köln, Museum Schnütgen, Inv. G 527, Foto Rheinisches Bildarchiv, Köln

Vortrag von Moritz Woelk

11. Juni 2015, 18:00 Uhr

Gobelin-Saal des Bode-Museums

Ein zentraler Gegenstand der christlichen Kunst des Mittelalters, das Kruzifix, konfrontierte die Künstler mit einer aus heutiger Sicht widersprüchlichen Aufgabe, galt es doch, eine Figur darzustellen, die sowohl Gott und Mensch ist, am Kreuz gestorben und zugleich zur Auferstehung fähig. Kunsthistorische Formanalysen haben oftmals in positivistischer Weise ein Entweder-oder gesucht: vom „toten Christus am Kreuz“ bis zum „triumphierenden“ Christus. Überlegungen zur Statuarik mittelalterlicher Kruzifixe vom 10. bis ins 15. Jahrhundert lassen demgegenüber fragen, ob nicht gerade in der Verbindung der rational entgegengesetzten Aspekte des Themas eine besondere Herausforderung bestand, die zu künstlerisch neuen Darstellungsformen geführt hat.

 

Ausgehend von diesen Beobachtungen soll an einigen anderen Beispielen der Skulptur, aber auch der Goldschmiedekunst gefragt werden, ob es auch dort zu Darstellungsformen kommt, die nicht aus einem Mangel an Deutlichkeit sondern mit Absicht rationale Widersprüche in einer Gestalt vereinen. Dazu zählt beispielsweise bei Grabmälern die Frage, ob eine Figur liegend oder stehend zu interpretieren ist. Bei ganz unterschiedlichen Kunstwerken, von Marienbildern bis zu Reliquienschaugefäßen können neben einer kostbaren Einfassung der Reliquien ebenfalls Darstellungsabsichten zum Tragen kommen, die ganz unterschiedliche Zeitebenen, von der biblischen Geschichte bis zur eschatologischen Zukunft, in einer einzigen Form zusammenfassen.

 

 Dr. Moritz Woelk, Direktor des Museums Schnütgen in Köln, zuvor Leiter der Skulpturensammlung im Albertinum in Dresden, ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der mittelalterlichen Kunstgeschichte mit dem Schwerpunkt auf der Bildhauerkunst.